„Wenn Tafalla singt, singt das ganze Baskenland“

29. Mai 2015, Uschi Grandel ( info-baskenland.de )

Nafarroa (Navarra): Sitzverteilung im Regionalparlament
Nafarroa (Navarra): Sitzverteilung im Regionalparlament

Sensation in Navarra – Sieg der PNV in der Baskischen Autonomen Gemeinschaft – Baskische Linke hat größte Anzahl an Gemeinderäten

Am Sonntag, den 24.5.2015, fanden in Spanien Kommunalwahlen und vielerorts auch Wahlen der sogenannten Autonomien (vergleichbar mit den Ländern in der BRD) statt. Was heißt das für die vier Provinzen des südlichen Baskenlands? Sie werden in Spanien durch zwei getrennte Autonomien verwaltet. Die Foralgemeinschaft Navarra wird durch die Provinz Nafarroa (Navarra) gebildet, während die Baskische Autonome Gemeinschaft (CAV) die drei Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa umfasst. Kommunalwahlen gab es überall. In Navarra wurde zusätzlich das Parlament der Foralgemeinschaft gewählt, in Araba, Bizkaia und Gipuzkoa die jeweilige Provinzregierung, die Junta. Das Parlament der CAV stand nicht zur Wahl.

Navarra: „Wenn Tafalla singt, singt das ganze Baskenland“

„Wenn Tafalla singt, singt Euskal Herria“, zitiert der Journalist Alberto Pradilla in der baskischen Tageszeitung GARA vom 25.5.2015 ein Lied des Sänger Fermin Valenzia aus Nafarroa (Navarra).

Der linken pro-Unabhängigkeitskoalition EH Bildu (Euskal Herria – das Baskenland – versammeln) gelang es in Tafalla, einem kleinen Ort in der Mitte Navarras, der seit Jahrzehnten von der rechten, manisch anti-baskischen Regionalpartei UPN dominiert wird, die Verhältnisse umzukehren. Die bis dahin regierende UPN verlor fast 1/3 ihrer Stimmen, ihrem kleineren Koalitionspartner PSN ging es genauso, während EH Bildu fast um 30% zulegte. Ihre sieben Sitzen und ein neu gewonnener Sitz der I-E ermöglicht nun eine Linkskoalition in Tafalla. Die bisherige Bürgermeisterin der UPN war nicht zur Wahl angetreten, weil gegen sie ein Verfahren wegen Urkundenfälschung läuft.

Auch in diesem Sinn ist Tafalla ein Abbild der Situation in Navarra. Denn seit vielen Monaten wird die in Navarra regierende UPN von Korruptionsskandalen erschüttert. Die Forderung nach Neuwahlen stand schon längere Zeit im Raum. Nur ihr Koalitionspartner, die sozialdemokratische PSN, die Regionalpartei der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) verhinderte eine vorgezogene Neuwahl.

Das aktuelle Wahlergebnis straft beide Parteien ab und ermöglicht einen sensationellen Neuanfang: die vier progressiven Parteien, die für einen Neuanfang angetreten waren, Geroa Bai (9 Sitze), EH Bildu (8 Sitze), Podemos (7 Sitze) und IU (2 Sitze) haben gemeinsam eine absolute Mehrheit. Die Spitzenkandidatin Uxue Barkos Berruezo des Bündnisses Geroa Bai, in dem neben zwei Gruppen aus Navarra auch die PNV vertreten ist, könnte so zur Präsidentin der Foralgemeinschaft gewählt werden.

Partido Popular in drei der vier Provinzen unter „ferner liefen“

Bemerkenswert war der fast völlige Absturz der in Spanien derzeit mit absoluter Mehrheit regierenden Rechten Partido Popular (PP). Im baskischen Durchschnitt liegt die Partei nur noch bei 8%, in drei der vier Provinzen drastisch unter 10%. In ganz Spanien wurde die PP für ihre Korruptionsaffären abgestraft, im spanischen Durchschnitt der Kommunalwahlen liegt sie aber immer noch bei 27%.

Bei den Kommunalwahlen im Baskenland konnte die PP lediglich in ihrer Hochburg Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt der Provinz Araba (spanisch: Alava) und Sitz der Regierung der Baskischen Autonomen Gemeinschaft, ihre bisherige Führung leicht ausbauen, musste ansonsten in Araba wie in den anderen Provinzen hohe Verluste in Kauf nehmen. Die PNV gewinnt in Araba die Wahlen zum Provinzparlament mit 13 Sitzen, die PP ist mit 12 Sitzen nur noch zweitstärkste Partei, dicht gefolgt von EH Bildu mit 11 Sitzen.

Das niedrigste Ergebnis hatte die PP im Nafarroa. Im dortigen Regionalparlament ist sie gerade einmal mit zwei von fünfzig Sitzen vertreten. Fortsetzung Nr. 2 „Wahlen im Baskenland am 24.5.2015“ – Partido Popular in drei der vier Provinzen unter „ferner liefen“:
Bemerkenswert war der fast völlige Absturz der in Spanien derzeit mit absoluter Mehrheit regierenden Rechten Partido Popular (PP). Im baskischen Durchschnitt liegt die Partei nur noch bei 8%, in drei der vier Provinzen drastisch unter 10%. In ganz Spanien wurde die PP für ihre Korruptionsaffären abgestraft, im spanischen Durchschnitt der Kommunalwahlen liegt sie aber immer noch bei 27%.

Bei den Kommunalwahlen im Baskenland konnte die PP lediglich in ihrer Hochburg Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt der Provinz Araba (spanisch: Alava) und Sitz der Regierung der Baskischen Autonomen Gemeinschaft, ihre bisherige Führung leicht ausbauen, musste ansonsten in Araba wie in den anderen Provinzen hohe Verluste in Kauf nehmen. Die PNV gewinnt in Araba die Wahlen zum Provinzparlament mit 13 Sitzen, die PP ist mit 12 Sitzen nur noch zweitstärkste Partei, dicht gefolgt von EH Bildu mit 11 Sitzen.
In den anderen Provinzen sieht das Ergebnis für die PP niederschmetternd aus: im Regionalparlament von Nafarroa ist sie gerade einmal mit zwei von fünfzig Sitzen vertreten, im Provinzparlament von Gipuzkoa mit einem von einundfünfzig Sitzen und im Provinzparlament von Bizkaia hat sie noch vier von einundfünfzig Sitzen inne.

PNV baut Vorsprung in Baskischer Autonomer Gemeinschaft aus

Für die konservative baskische PNV waren die Wahlen ein durchgehender Erfolg. Es gelang ihr, in allen drei Provinzparlamenten, Araba, Bizkaia und Gipuzkoa stärkste Kraft zu werden. Insbesondere drängte sie in Gipuzkoa die baskische Linke auf Platz 2. EH Bildu war 2011 mit einem Traumergebnis von mehr als 34% der Stimmen auf Anhieb zur stärksten Kraft des Provinzparlaments geworden. Das Ergebnis konnte das linke Bündnis nicht mehr halten erzielte mit 29% der Stimmen aber immer noch ein gutes Ergebnis. Allerdings zog die PNV mit 31,6% an ihr vorbei und steigerte damit ihr Ergebnis um 8% gegenüber 2011. Sie konnte von den massiven Stimmenverlusten der PP profitieren, deren Wähler der PNV wohl ihre Anti-EH-Bildu-Stimmen überließen.

Auch in Donostia (span: San Sebastian) konnte die PNV ihr Ergebnis fast verdoppeln und landete mit 29% der Stimmen vor der PSE (24,5%) auf Platz 1. EH Bildu folgt mit 21% auf Platz 3. Die Linke hatte ihr Ergebnis, das ihr 2011 die meisten Stimmen und das Bürgermeisteramt von Donostia bescherte, bis auf wenige hundert Stimmen halten können. Allerdings fällt auf, dass die 4000 Stimmen der kleinen Batasuna-Abspaltung Aralar, die 2011 noch selbst kandidierte und sich mittlerweile am Linksbündnis EH Bildu beteiligt, nicht EH Bildu zugutekamen, sondern wohl größtenteils an die PNV gingen. Dazu kamen fast 9%, die die PP an die PNV verlor.

EH Bildu – Enttäuschung trotz gutem Ergebnis

Bildu (versammeln, heute EH Bildu) trat als Wahlbündnis der Partei der baskischen Linken Sortu (Aufbauen) und der kleineren baskischen sozialdemokratischen Partei EA das erste Mal 2011 zu den Kommunalwahlen an. Damit hatten zum ersten Mal seit vielen Jahren die zehntausende Wählerinnen und Wähler im Umfeld der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung wieder eine Wahloption. Die Jahre davor war jeder Versuch, eine baskische linke pro-Unabhängigkeitsliste aufzustellen, vom spanischen Staat mit Hilfe seiner Anti-Terror-Sondergesetze verboten worden. Der spanische Staat verbot dutzende „kontaminierte Listen“, d.h. Listen, auf denen mindestens ein Name stand, der in früheren Zeiten auf einer Liste gemeinsam mit Leuten kandidierte, die man der Nähe zur 2003 verboten Partei Batasuna (Einheit) verdächtigte. Auf diese Weise gab es etwa 40.000 „kontaminierte“ Kandidatinnen und Kandidaten, denen das Recht, sich zur Wahl zu stellen, auf diese Weise entzogen wurde.

Bildu musste sich 2011 das Recht, sich mit seinen 254 Listen und über 3400 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl zu stellen, erst vor dem Verfassungsgericht erkämpfen. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 6:5 Stimmen hob das spanische Verfassungsgericht kurz vor den Wahlen das Verbot des Obersten Gerichtshofs auf. Tausende hatten im Baskenland den Abend vor der Entscheidung in verschiedenen Städten des Baskenlands für dieses Ergebnis demonstriert. Sortu musste sich die Zulassung als Partei ebenfalls vor dem Verfassungsgericht erkämpfen und ist erst seit 2012 als Partei zugelassen.

Vor diesem Hintergrund war das Wahlergebnis 2011 eine Sensation und ein grandioser Erfolg der neuen Strategie der baskischen Linken. Wie ein Tsunami fegte Bildu durch die vier Provinzen des Baskenlands und konnte über 300.000 Stimmen, die größte Anzahl an Stadt- und Gemeinderäten, sowie die Leitung der Provinz Gipuzkoa und das Bürgermeisteramt ihrer Hauptstadt Donostia (span: San Sebastian) gewinnen. Bildu wurde zur zweitstärksten Kraft knapp hinter der konservativen PNV.

Deshalb war die Wahl 2015 ein Prüfstein, wie solide dieses Ergebnis die politische Realität widerspiegelt. Das Ziel der Koalition war, 300.000 Stimmen in den gesamten vier Provinzen zu halten und den Einflußbereich vor allen in Nafarroa auszudehnen. Beide Ziele hat EH Bildu erreicht. Mit 308.000 Stimmen in den Kommunalwahlen, 290.000 Stimmen in den Wahlen zum Foralparlament und zu den Provinzparlamenten und der größten Zahl an Stadt- und Gemeinderäten (EH Bildu: 1183, PNV: 1017 + einige der 59 der Koalition Geroa Bai in Navarra) gegenüber konnte die baskische Linke ihr gutes Ergebnis von 2011 eindrucksvoll bestätigen. Trotzdem ist die Freunde getrübt. EH Bildu konnte die Führung bei den Parlamentswahlen in Gipuzkoa nicht halten und kam mit 28,8% der Stimmen knapp hinter der PNV (31,5%) auf den zweiten Platz. In Donostia konnte EH Bildu das hervorragende Ergebnis von 2011 bis auf ein paar Hundert Stimmen halten, kam aber trotzdem nur auf Platz 3 hinter der PNV und der PSOE. Eine Anti-EH Bildu Kampagne der Opposition aus PNV, PSOE und PP hatte vor allem das progressive Müllkonzept der Stadt bekämpft (Müllvermeidung und Trennung). Die PNV will den von EH Bildu gestoppten Bau einer Müllverbrennungsanlage wieder aufnehmen. Die Rechte, die der PP massiv den Rücken gekehrt hat, hat zum guten Teil Anti – EH Bildu gewählt.

Aber es gibt auch Ergebnisse, die EH Bildu Sorge bereiten und die das Wahlbündnis näher analysieren will. Es gab etliche Gemeinden, in denen EH Bildu signifikante Verluste hatte. In Summe fällt das wegen der großen Zugewinne andernorts nicht auf. EH Bildu hatte sich aber den Kampf um Demokratisierung der Entscheidungsfindung und größere Partizipation der Bürgerinnen und Bürger auf die Fahnen geschrieben. Deshalb ist es äußerst wichtig, die genauen Ursachen dieser Verluste zu verstehen.

Podemos mit starkem Beginn

Mit Spannung war das Resultat von Podemos erwartet worden: auf Anhieb wurde die Partei bei den Parlamentswahlen (Foral+Provinz) mit 13,7% zur drittstärksten Kraft (im Vergleich: EH Bildu liegt bei 20,5%). Woher kommen die Stimmen von Podemos? In Navarra haben die progressiven Kräfte alle zugelegt, die rechte große Regionalpartei UPN und die kleinere PP haben massiv verloren. Aus diesen verlorenen rechten Stimmen und der erhöhten Wahlbeteiligung speist sich der Podemos Erfolg.

In den anderen Provinzen ist die Situation nicht so einfach. Podemos war dort hauptsächlich in den urbanen Zentren stark. In Bilbo (span: Bilbao) wurde sie beispielsweise bei den Wahlen zum Provinzparlament mit 15% der Stimmen zweitstärkste Kraft hinter der PNV (37%). Zum großen Teil kommen auch diese Stimmen aus Verlusten der PP (Rückgang von 19,4% auf 12%) und der PSE (Rückgang von 16,4% auf 12%), aber auch EH Bildu verlor 2% und kam nur noch auf 13,4%.

Wählerinnen und Wähler wechseln jedoch wohl eher kaum von EH Bildu zu Podemos. Dort wo Podemos beste Ergebnisse erzielt hat, hat die Partei zusätzlich zu den Stimmen, die sie durch die Verluste von PP und PSE erhalten hat, viele kleine Protestparteistimmen aufgesammelt. Ein Beispiel hierfür ist Errenteria, eine Hochburg der baskischen Linken in der Nähe von Donostia, an der französischen Grenze: hier erzielte Podemos mit 18% (3368 Stimmen) eines ihrer besten Ergebnisse. EH Bildu ist mit 28% (5195 Stimmen) stärkste Partei. Zwar verlor das Bündnis im Vergleich zu 2011 817 Stimmen oder 6%, aber die lokale Initiative Irabazi gegen Zwangsräumungen hat wohl diese Stimmen erhalten. Sie kommt auf 859 Stimmen.

Podemos konnte zusätzlich zu den Verlusten von PP und PSE (etwa 1000 Stimmen) noch die Stimmenzahl von insgesamt sechs kleineren Parteien, darunter auch die IU, einsammeln, die diesmal nicht mehr kandidiert haben, aber 2011 gemeinsam etwa 2300 Stimmen gewannen. Außerdem kam ihr vermutlich ein großer Prozentsatz der höheren Wahlbeteiligung von zusätzlichen 1100 Stimmen zugute.