Popcorn im Hochland

Reisebericht aus Irlands Westen von Uschi Grandel, Reisebeilage der jungen Welt vom 13.12.2017:

Glengesh Pass in Donegal, Irland
Glengesh Pass, Donegal, Aug. 2017

Irlands Westen ist von überwältigender Schönheit. Von Touristen wird er noch nicht erdrückt.

An diesem Berg hat er also geübt, denke ich mir. Er, das ist Jason Black, der im Mai 2013 als erster aus Irlands Nordwesten den Mount Everest bestieg. Ich stehe vor dem Mount Errigal oder in irischer Sprache An Earagail, mit 751 Metern der höchste Berg der Provinz Donegal. An seinem Fuß erinnert ein Steinmonument an Blacks Leistung im fernen Himalaja. Der Wind pfeift gewaltig an diesem Septembertag, während ich mich durch die von kleinen Rinnsalen durchzogene Moorlandschaft arbeite und dann den steilen und steinigen Anstieg in Richtung Gipfel in Angriff nehme. Von oben geht der Blick über das nordwestliche Hochland mit seinen kargen Hochebenen bis zum Atlantik.

Erst vor kurzem – im August – habe ich mit einer Reisegruppe den nahe gelegenen Nationalpark Glenveagh besucht. Sein irischer Name Gleann Bheatha bedeutet übersetzt „Tal der Birken“. Ein gemütlicher Spaziergang führt von einem Besucherzentrum aus entlang des Lough Veagh mitten ins wilde Hochland und zu einem Schloss, dessen Erbauer John George Adair bei der einheimischen Bevölkerung gefürchtet und verhasst war. 1861 ließ er mehr als 200 Männer, Frauen und Kinder von seinem Land vertreiben. Es soll ihm weniger um die Pacht gegangen sein, die die Kleinstbauern nicht mehr entrichten konnten, als um die Ästhetik, die er durch den Anblick der armseligen Hütten gestört sah. Neun Jahre darauf begann der Bau des Schlosses. Seit den 1970er Jahren gehören die Ländereien dem irischen Staat.

Unterwegs im Norden und Westen Irlands
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Von Glenveagh aus machen wir uns mit dem Auto auf den Weg entlang der zerklüfteten Westküste in Richtung Süden. Die Gegend ist dünn besiedelt, kleine Ortschaften liegen verstreut an der Küste. In den dortigen Pubs findet sich selbst in den einsamen Herbst- und Wintermonaten eine lebendige Kulturszene. Die Betreiber machen sich keine Konkurrenz, sondern stimmen die Musiksessions oder Ceili-Tanzveranstaltungen miteinander ab. Bald befinden wir uns auf dem Wild Atlantic Way. Die Schilder mit der blauen Welle, die auf ihn hinweisen, erinnern im ersten Moment an Wegweiser zu einem Schwimmbad. Tatsächlich markieren sie eine 2500 km lange Küstenstrasse von Malinhead, dem nördlichsten Punkt Irlands, bis in den Süden der Insel.

Der Tourismus boomt, aber die vielen Reisebusse fahren nur die bekanntesten Sehenswürdigkeiten an. Etwa die berühmten Klippen von Moher, wo sich in der Hauptreisezeit täglich ein paar Stunden die Besucher auf den Füßen stehen, um die kilometerweit steil zum Wasser abfallenden Felswände zu bewundern.

Doch von Moher trennen uns noch 300 Kilometer Luftlinie und 700 Kilometer auf dem Wild Atlantic Way. Erst einmal führt unser Weg von Ardara nach Teelin in Haarnadelkurven auf den Glengesh-Pass. Ein kleiner Parkplatz lädt dazu ein, zu verweilen und den fantastischen Ausblick auf das Hochland zu genießen. Trotz Hochsaison ist man hier ungestört. Das einzige, was neben der Natur ins Auge springt, ist ein knallroter Verkaufsstand. Ein schwäbischer Aussteiger hat es auch hierher geschafft. Neben Kaffee und Tee hat er selbstgemachtes Popcorn, auch in exotischen Geschmacksrichtungen wie Zimt oder Algen, im Angebot. Wie viele kleine Händler setzt er auf die Anziehungskraft des Wild Atlantic Way. Das Popcorn schmeckt jedenfalls.

So beschaulich geht es ein paar Kilometer weiter an den Klippen von Sliabh Liag (Slieve League), des Steinbergs, nicht zu. Den Namen verdanken die Klippen der gewaltigen Höhe der Felsformation. Ihr höchster Punkt liegt 600 m über dem Meeresspiegel. Hier herrscht schon deutlich mehr Trubel. Bis zum nahe gelegenen »Rusty Pub« reicht er nicht. Es gibt hausgemachten Linseneintopf. Wir sind die einzigen Gäste.


Erstveröffentlichung in der Reisebeilage der jungen Welt vom 13.12.2017 >>

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